EPOMM e-update August 2019
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Liebe Leserin, Lieber Leser

Stadtplanung will nutzerfreundlich sein, komfortabel und zweckmäßig. Jedoch schlummert noch großes Potenzial, wenn es darum geht, "positives" Verhalten anzuregen. Das geht von einem einzelnen kleinen Anstoß bis zu einem systematischen, großflächigen "Nudging"-Ansatz. Die Praxis zeigt, dass jede dieser Herangehensweisen, so sie gut gestaltet ist, effektiv zur Veränderungen eingefahrener Verhaltensweisen beitragen kann.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem EPOMM e-update Erkenntnisse und Einsichten zu Nudging in Planung und Politik bieten zu können und wie es zum Treffen richtiger Entscheidungen beitragen kann.

Painting of science guy

Source: anderson.ucla.edu

Nudge me if you can!

Nudging ist ein relativer neuer Ansatz zur Entscheidungsfindung. Im Kern geht es um das Herbeiführen von "erwünschten" Verhaltensänderungen, ohne dabei die Entscheidungsfreiheit einzuschränken oder Regulatorien wie Strafen oder Steuern einzuführen. "to nudge" aus dem Englischen heißt "schubsen", "(leicht) anstoßen" und stellt also einen sanften Weg zur Verhaltensänderung dar. Nudging-Strategien gestehen den Menschen unterschiedliche Einstellungen, Potenziale oder Fähigkeiten zu, während althergebrachte Entscheidungsfindungsprozesse nicht immer auf demographische Unterschiede eingehen.

Nudging stellt per se keinen Durchbruch in der psychologischen Forschung dar. Allerdings wurde es erst bekannter, als Thaler und Sunstein 2008 ihr Buch ‘Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth and Happiness‘ (zu Deutsch: "Nudge - Wie man kluge Entscheidungen anstößt") vorstellten. Seither wurde Nudging in Regierungsstrategien rund um die Welt genutzt und wurde ebenso gepriesen wie kritisiert.

Einerseits ermöglicht Nudging freie und eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Andererseits stubst es einen dahingehend, die "richtige" Entscheidung zu treffen (aus jemandes anderen Perspektive).

Big elephant nudging baby elephant

Source: prisma-hsg.ch

Eine freundliche Stadt ist eine sichere und glückliche Stadt

Menschen denken nicht immer rational. Aber unser aller Entscheidungen als Individuen formen unsere Städte. Kleine Entscheidungen, also z.B. das Rad statt dem Auto zu nehmen, haben in summe das Potenzial, eine Stadt lebenswerter und gesünder zu machen.

Also kann argumentiert werden, dass Gestaltungslösungen, die bestimmte erwünschte individuelle Verhaltensweisen fördern, maßgeblich zu Ergebnissen beitragen, die wir in unseren Städten sehen wollen.

Hier kommt das Nudging ins Spiel. umso mehr, als urbanes Gestaltung meist teuer ist und langwieriger Prozesse bedarf. In den letzten Jahren wurden oft Ideen für kleinere und schneller umzusetzende Gestaltungen entwickelt, auch als Versuchsballone für Größeres.

Escalator painted like a piano

Source: goodvertising.site

Vergleichen wir also Äpfel mit Stiegen

Veränderungen in unseren Städten sind in hohem Maße von Verhaltensveränderungen abhängig. Öffentlicher Dialog, Kampagnen und Diskussionen sind essentiell, um Bewusstsein zu schaffen. Jedeoch zeitigen sie meist keinen Effekt und führen zu keiner Verhaltensänderung.

Nudging erzeugt Veränderung, indem es mit unseren Verhaltensneigungen spielt. Ein beliebtes Beispiel wäre, Äpfel an einer Verkaufstheke in Augenhöhe zu platzieren, anstatt junk food zu verbieten.

Sille Krukow, Expertin für Verhaltensdesign, hat in ihrem TED talk bei TEDx Copenhagen gesagt: “Ich glaube, wir alle wollen das Richtige tun. Aber unser Instinkt und unsere Schwächen stellen sich uns in den Weg.” Designer haben das verstanden und beginnen, Nudging ins Design zu integrieren.

Ein Beispiel aus Stockholm: Um Menschen anzuregen, die Stiege statt der Rolltrepe zu benutzen, hat ‘The Fun Theory’, eine Initiative von VW, die Stiegen gestaltet wie eine Klaviertastatur (inklusive Tönen beim Draufsteigen). Ergebnis: die Menschen sind mit Neugier und Begeisterung auf den "Tasten" herumgehüpft . Die Spaßtheorie hat sich also bewahrheitet. Die Stiegen direkt neben der Rolltreppe wurden 66% mehr als normal benutzt und die Leute hatten Spaß dabei.

Straßenverkehrssicherheit in der driten Deminsion

Zu viele Fußgänger sterben im Straßenverkehr oder werden ernsthaft verletzt. Neben anderen Ursachen liegt dies an unsicheren Querungen und schlechter Straßengestaltung. Island hat unter vielen verschiedenen Herangehensweisen an diese Problem die möglicherweise kreativste.

Im kleinen Fischerdorf Ísafjörður springt einem eine revolutionäre Entwicklung bei Fußgängerübergängen "ins Auge". Der Zebrastreifen schaut aus wie 3D, als würde er aus der Straße herausragen. Das innovative Design gibt Fußgängern nicht nur das Gefühl zu fliegen, sondern erweckt auch die Aufmerksamkeit der Autofahrer. Die bremsen automatisch, sobald die den "schwebenden" Schutzweg sehen.

Woman walking on pavement

Photocredit: Alamy

Mit Tricks zum Wunschverhalten bei Pendlern

Wie kann man Schnellfahren ohne Strafen verhindern? Wie Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern in Städten lösen? wenn man im vereinigten Königreich geht oder fährt, wird man "angestubst" von dutzenden "verborgenen Nachrichten" auf Straßen und Gehsteigen.

Straßen werden strategisch mit oberflächenstrukturierten Steinen gepflastert, mit kleinen Erhebungen, die einem unterschwellig bedeuten, was zu tun ist. Wo Rad- neben Gehwegen verlaufen, sind die Radwege parallel gestreift, während die die Gehwege vertikale Streifen aufweisen. Ein weiteres Beispiel ist es, Bäume beiderseits von Straßen zu pflanzen. Je näher zum Ortseingang, desto näher rücken die Baumreihen zusammen. Das erzeugt bei Autofahrern das Gefühl, sie würden zu schnell fahren, auch wenn sie ihr Tempo konstant halten. Unfälle konnten so um 20 Prozent reduziert werden.

Yellow footprint-stickers on the pavement

Source: cleaneuropenetwork.eu

Aus Dänemark mit ♥

Kopenhagen wird weiderholt als eine der lebenswertesten Städte der Welt bezeichnet. Das wäre ohne geplante Nudges nicht möglich gewesen, die kollektives Verhalten in eine gewünschte Richtung lenken.

Gegen die Zunahme von Müll wurden im Rahmen eines Müllvermeidungsprogrammes Mistkübel an strategischen Plätzen angebracht, spezielle dort, wo erwartet wurde, dass Menschen sich ihres Mülls entledigen. Der wirkliche Clou aber waren grüne Fußspuren, die auf die Straßen gepinselt wurden und zu den Mülleimern führen. Die Leute folgen den Fußspuren, um ihren Müll wegzuwerfen. Der Anstoß erwies sich als sehr effektiv und führte allgemein zu einem erhöhten Umweltbewusstsein.

path through meadow

Photocredit: Alamy

Smart Cities als Plattformen für bessere Entscheidungen

Die meisten Diskussionen zu smart cities drehen sich um Infrastruktur. Big data und Informationstechnologien werden zum besseren Management des öffentlichen Verkehrs, des Abwassersystems, der Straßen etc. verwendet. Das Wort ‘smart’ meint dabei meist physische Dinge, die z.B. durch Sensortechnologien mit dem Internet der Dinge in Verbindung stehen Datenströme generieren.

Es ist nicht einfach, Rahmenbedingungen zu schaffen, die individuelle Wünsche berücksichtigen. ein Beispiel aber ist Jane Jacobs' Geschichte von Kindern, die spontan und gemeinsam sogenannte ‘Wunschpfade’ in den Schnee gestapft haben. Die klugen ("smarten") Planer richten ihre Entscheidungen nach den Ergebnissen von gesammeltem Wissen und den Vorlieben der Menge . Verhaltenserkenntnisse zu nutzen, ist ein wirkmächtige Art, menschengerechtes Design für smartere Städte zu machen.

Cover of publication

Source: ec.europa.eu/jrc

Ethische Bedenken zu Nudging als Instrument der Politikgestaltung

Wenn Verwaltungen mit den Entscheidungen der Menschen "spielen", sehen das viele sehr skeptisch. Während Bevormundung gar nicht mehr geschätzt wird, weil es die Freiheit der individuellen Entscheidung klar einschränkt, wird Nudging für seinen schleichenden Einfluss kritisiert.

Andererseits hält sich Nudging zugute, dass es keine neutrale Gestaltung gibt und individuelle Entscheidungen doch immer von jenen der Entscheidungsträger beeinflusst werden.

Diese Bedenken sind kontroversiell, weil es für Politikgestaltende selten die beste Option ist, nichts zu tun. Überzeugende Beispiele, wie Verhaltensforschung zur Formung politischer Initiativen beigetragen hat, finden sich in der Veröffentlichung Behavioural Insights Applied to Policy: Overview across 32 European Countries, einem Report von der Wissenschaft an die Politik vom JRC (Joint Research Center der EU-Kommission) Science Hub, aus dem Jahr 2016 (siehe Kapitel 2.2).

Puzzle pieces

Source: Freepik.com

Zusammenfassung: Can a simple, effective design serve as a behaviour nudge?

Ungeachtet der unsicheren Ergebnisse in bestimmten lokalen Kontexten werden Instrumente wie Nudging immer häufiger angewendet. Diese Herangehensweise wird als zusätzlich gesehen zu herkömmlichen Instrumenten der Politik und icht als Ersatz für Gesetze, Regulatorien und ökonomischen Instrumenten wie Steuern und dgl.

Nudging is eine hilfreiche Strategie, um Veränderungen anzustoßen, in Verbindung mit situativem Verhalten. Es kann Design verbessern, aber auch die Akzeptanz, Effektivität und Effizienz politischer Instrumente sowie deren Umsetzungsgeschwindigkeit.

Nudging ist ein Werkzeug mit hohem Kosten-/Nutzenfaktor, das auf Verhaltensänderungen abzielt.

Eines der substantiellen Elemente von Nudging ist es schließlich, dass es funktioniert, indem es intuitive Prozesse von Individuen beeinflusst, ohne uns aktiv in öffentliche Diskussionen zu verstricken. Es gibt einen wachsenden Konsens, dass die besten Interventionen jene sind, die Verhalten ändern wollen, indem Verhältnisse geändert werden.

Oder, wie es Jane Jacobs in The Death and Life of Great American Cities formuliert: “Städte haben die Möglichkeit, jeder und jedem Einzelnen etwas zu geben, aber nur weil und nur wenn, sie von jeder und jedem Einzelnen gestaltet werden.”

 

Kommende Veranstaltungen

  • Oslo Urban Arena 2019
    12-13 September 2019 | Oslo, Norwegen
  • Europäische Mobilitätswoche
    16-22 September 2019 | ganz Europa
  • Smart City Lösungen 2019
    17-19 September 2019 | Stuttgart, Deutschland
  • CIVITAS Forum Konferenz 2019
    02-04 Oktober 2019 | Graz, Österreich

Für weitere Veranstaltungen besuchen Sie bitte den EPOMM Kalender.

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